Veränderungen des Konsums führen zu fundamentalen Substitutionseffekten
hpo Konjunkturkommentar 1. Quartal 2021
USA: Die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern boomt
Der Konsumzyklus ist der langfristige Taktgeber der Realwirtschaft und davon hängen in letzter Konsequenz auch die Entwicklungen in den unterschiedlichen Zweigen der Investitionsgüterindustrie ab.
Der exemplarische Blick auf die Zahlen in den USA zeigt, dass sich beim Konsum Aussergewöhnliches abspielt. Folgende Punkte würden einen rückläufigen Absatz von Verbrauchsgütern erwarten lassen:
- Anstieg der Arbeitslosenquote in einem Jahr um zwei Drittel auf 10 %
- Anstieg der Sparquote um 90 % zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020
- Die Konsumentenstimmung bewegt sich seit April 2020 konstant unter 100 und damit im kontraktiven Bereich
Erstaunlicherweise stieg aber beispielsweise die Nachfrage nach Verbrauchsgütern im 3. Quartal nach der ersten Corona-Welle um rund 5 % über das bereits hohe Vorkrisenniveau und verharrte in diesen hohen Sphären bis Ende Jahr. Wie passen diese widersprüchlich anmutenden Entwicklungen zusammen?
Die gestiegene Sparquote ist auf den behördlich verordneten Konsumverzicht im Lockdown und auf die grosse wirtschaftliche Unsicherheit zurückzuführen.
Die persönlichen Konsumausgaben insgesamt sind 2020 tatsächlich gefallen und setzen sich im Wesentlichen aus folgenden Ausgabenkategorien zusammen:
- Ausgaben für Services (z. B. Ferien, Restaurantbesuche, Gesundheit): historisch einzigartiger Einbruch
- Ausgaben für Verbrauchsgüter (z. B. Lebensmittel, Kleidung): markanter Anstieg gegenüber dem Vorkrisenniveau
- Ausgaben für langlebige Konsumgüter (z. B. Möbel, Autos, Freizeitgeräte): extremer Anstieg der Ausgaben in 2020

Achterbahnfahrt in verschiedenen Industriezweigen
Die beschriebenen Verschiebungen beim Konsum sind in Europa und Asien ebenfalls beobachtbar, wenn auch weniger stark ausgeprägt. Was bedeuten diese Entwicklungen nun für unsere Zielgruppe, die Hersteller und Produzenten von Investitionsgütern (z. B. Maschinenbau) und langlebigen Konsumgütern?
Die Lockdown-Massnahmen führten wie oben beschrieben in kürzester Zeit zu gewaltigen Konsumverschiebungen. Während einzelne Industriezweige tief gefallen sind, profitieren andere von rekordverdächtigen Bestellungen. Insgesamt führt dies bei der Nachfrage nach Investitionsgütern zu einer ausserordentlichen Volatilität, die sich in den kommenden Quartalen fortsetzen wird. In etlichen Branchen erwarten wir in den nächsten paar Monaten kurze Boomphasen, die vor allem den Nachholeffekten zu verdanken sind.
Die zentrale Frage bleibt, wie nachhaltig diese Substitutionseffekte wirken:
- Szenario 1: Falls die Substitutionseffekte länger wirken (mehrere Jahre), verändern diese das langfristige Trendwachstum in einzelnen Branchen.
- Szenario 2: Falls die Substitutionseffekte nur kurzfristig wirken, bis wir die Pandemie hoffentlich gegen Sommer/Herbst 2021 in den Griff bekommen, besteht die grosse Gefahr von Übertreibungen. Branchen, die jetzt von den Substitutionseffekten profitieren, können in der zweiten Jahreshälfte in ein Auftragsloch fallen. Industriezweige die jetzt unter den Verwerfungen besonders leiden, könnten kurzfristig profitieren, bis sich die Entwicklung auf dem längerfristigen Pfad wieder einpendelt.
Wie an dieser Stelle schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, vertritt hpo forecasting die Meinung, dass auch in Pandemiezeiten die langfristig wirkenden realwirtschaftlichen Zyklen die dominanten Faktoren für die Auftragsentwicklung in der Industrie sind. Die aktuellsten Daten scheinen diese Sichtweise mehrheitlich zu stützen, wenn es auch noch zu früh ist für eine abschliessende Beurteilung.
Die von hpo forecasting analysierten realwirtschaftlichen Zyklen zeigen an, dass wir nach einer langen Boomphase bis 2018/2019 nun den Anfang einer längeren Phase mit eher verhaltener wirtschaftlicher Entwicklung erleben, gegen die sich nur Industriezweige mit einem sehr robusten Trendwachstum nachhaltig stemmen können. Auch wenn in einzelnen Branchen tatsächlich das Szenario 1 mit nachhaltigen Substitutionseffekten beim Konsum eintreten sollten, wird dieser Effekt vom allgemeinen Konjunktureinfluss überlagert. Kurzfristige Übertreibungen und anschliessende Kompensationseffekte dürften weiter beobachtbar sein (Stichwort hohe Volatilität).